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Call for Papers - Juristische Zeitgeschichte der 1980er Jahre

1979 wird als "Schlüsseldatum des 20. Jahrhunderts" (Peter Sloterdijk) und "Beginn der multipolaren Welt von heute" (Claus Leggewie) bezeichnet. In seiner „Zeitwende 1979“ hat Frank Bösch sich mit den politischen und kulturellen Auswirkungen der Ereignisse dieses Jahres auf Deutschland befaßt. 1989 endet für viele Historiker das kurze 20. Jahrhundert, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs geschaffene Ordnung des Kalten Krieges wurde in Frage gestellt – mit dem Ende der Teilung als besonderer Folge für Deutschland. Dazwischen liegen die 1980er Jahre, die im Rückblick wie ein Jahrzehnt im Wartestand wirken, bevor sich dann die großen Themen unserer Gegenwart beschleunigt entfalten konnten.
In Deutschland wurde zu Beginn dieser rückblickend letzten zehn Jahre der „Bonner Republik“ freilich keine „Wartezeit“, sondern eine „geistig-moralische Wende“ (Helmut Kohl) ausgerufen. Ob nun in den 1980er Jahren nun Veränderungen hin zu einer Stärkung konservativer Werte erfolgt sind, wie dies der konservative Flügel der Union erhoffte, eine Rückbesinnung auf liberale und marktwirtschaftliche Prinzipien erfolgte, wie dies Hans-Dietrich Genscher in seinem „Wendebrief“ 1981 einforderte, oder einfach die bisherige Politik mit neuem Personal fortgesetzt wurde, wie Helmut Schmidt später behauptete, wird unterschiedlich gesehen.
Die Juristische Zeitgeschichte hat sich mit den 1980er Jahren bisher kaum befaßt, obschon diese Jahre aus sich selbst heraus verstanden werden müssen und zudem mehr sind als eine Nachphase der wesentlich besser erforschten Reformzeit der 1970er Jahre (die Zeit „nach dem Boom“, Anselm Doering-Manteuffel/Lutz Raphael) oder eine Vorphase der Revolutionen der Jahre 1989/90. Und obschon eine Erforschung gerade dieser Jahre neue Deutungen auch der Zeit davon und danach ermöglichen könnte. Eine politische „Wende“ müßte sich auf der Ebene der Gesetzgebung bemerkbar gemacht haben, vor allem in sensiblen Bereichen wie beispielsweise dem Sozialrecht, Familienrecht oder Arbeitsrecht, aber auch dem Steuerrecht oder der Privatisierung von Aufgaben der Daseinsvorsorge. Zudem war durch die Gründung des EWS und das Schengener Abkommen eine neue Stufe europäischer Integration erreicht worden.
Außerdem stellt sich auch in vielen anderen Bereichen die Frage, wie in Rechtssetzung und Rechtsanwendung auf ganz unterschiedliche Herausforderungen und Ereignisse der 1980er Jahre reagiert haben, Friedensbewegung/NATO-Doppelbeschluß, Antiatomkraftbewegung/Wackersdorf/Tschernobyl, Umweltbewegung/Waldsterben/Sandoz, links- und rechtsextremer Terrorismus/RAF/Oktoberfestattentat, AIDS/Pandemie, Massenarbeitslosigkeit/Staatsverschuldung/Rezession, Wandel der Mediengesellschaft/Dualer Rundfunk/“Privatfernsehen“, Digitalisierung/Personal Computer/Volkszählungsboykott, um nur einige zu nennen.

Untersucht werden soll die Juristische Zeitgeschichte der Bundesrepublik Deutschland der 1980er Jahre aus multidisziplinärer Perspektive. Themenvorschläge (max. 3000 Zeichen) mit kurzem CV werden bis 6. Mai 2019 an rechtskultur@ur.de erbeten. Die ausgewählten Themen (Nachricht erfolgt bis 31. Mai 2019) sollen auf einer Tagung, die am 19./20. März 2020 an der Universität Regensburg stattfindet, präsentiert und diskutiert werden; die hiernach überarbeiteten Texte werden in einem Tagungsband publiziert, welcher in einem renommierten Fachverlag erscheinen wird. Reise- und Übernachtungskosten werden erstattet.

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Rechtsbegriffe und Institutionen lassen sich nicht aus einer zeitlosen Vernunft ableiten. Recht ist vielmehr – ebenso wie etwa Musik, Literatur, Bildende Kunst oder Mode – ein Kulturprodukt, entstanden in Jahrhunderten menschlicher Praxis und stetiger Veränderung unterlegen. Die verschiedenen Kulturräume unserer Welt haben im Laufe ihrer Geschichte unterschiedliche Vorstellungen von Recht und seiner Durchsetzung entwickelt.      Mit dem Begriff „Rechtskultur“ läßt hiernach der Inbegriff der in einem Kulturraum bestehenden, auf das Recht bezogenen Wertvorstellungen, Normen, Institutionen, Verfahrensregeln und Verhaltensweisen umschreiben. Recht ist also immer Teil einer Kultur; das gilt nicht nur für das positive Recht, sondern vor allem auch für die Prinzipien der Begründung und Legitimation von Normen und Verfahren. Als Teil einer Kultur steht das Recht notwendig in einer Wechselbeziehung mit anderen Teilgebieten dieser Kultur, etwa Moral, Politik oder Religion. Recht ist also kult