Der Förderverein unterstützt die Ausrichtung der Tagung "Scheidung ohne Schuld". Das am 14. Juni 1976 verkündete Erste Gesetz zur Reform des Ehe- und
Familienrechts brachte eine grundlegende Neuregelung des
Scheidungsrechts, des Scheidungsfolgenrechts (Zugewinnausgleich,
nachehelicher Unterhalt, Versorgungsausgleich) und des
Scheidungsverfahrensrechts in der Bundesrepublik Deutschland. Das bisher
prägende Verschuldensprinzip wurde zugunsten des Zerrüttungsprinzips
beseitigt: Voraussetzung für die Scheidung einer Ehe ist seither nicht
mehr das Vorliegen einer gravierenden Verletzung ehelicher Pflichten
durch mindestens einen der Ehegatten, sondern allein das Scheitern der
Ehe, das nach einer gewissen Zeit des Getrenntlebens vermutet wird. Auch
wenn das neugeregelte Scheidungsunterhaltsrecht die Selbstverantwortung
der Ehegatten nach der Ehescheidung betonte: Der wirtschaftlich
stärkere Partner schuldet dem wirtschaftlich schwächeren Partner in
vielen Fällen über Jahre hinweg nachehelichen Unterhalt; auf das
Verschulden am Scheitern der Ehe kommt es auch hier nicht an. Zudem
wurde der Versorgungsausgleich eingeführt, der geschiedene Ehegatten
gleichmäßig an den während der Ehe erworbenen
Altersversorgungsanwartschaften des anderen Ehegatten beteiligt. Die
Scheidung wurde nunmehr von den neu geschaffenen Familiengerichten in
einem neugeregelten Verfahren durchgeführt. Die Scheidungsrechtsreform
war das Ergebnis eines jahrelangen kontroversen rechts- und
gesellschaftspolitischen Diskurses, der auch nach Inkrafttreten des
Reformgesetzes nicht zum Erliegen kam. Untersucht werden sollen
Entstehungs- und Wirkungsgeschichte dieser Scheidungsrechtsreform aus
multidisziplinärer Perspektive.
Rechtsbegriffe und Institutionen lassen sich nicht aus einer zeitlosen Vernunft ableiten. Recht ist vielmehr – ebenso wie etwa Musik, Literatur, Bildende Kunst oder Mode – ein Kulturprodukt, entstanden in Jahrhunderten menschlicher Praxis und stetiger Veränderung unterlegen. Die verschiedenen Kulturräume unserer Welt haben im Laufe ihrer Geschichte unterschiedliche Vorstellungen von Recht und seiner Durchsetzung entwickelt. Mit dem Begriff „Rechtskultur“ läßt hiernach der Inbegriff der in einem Kulturraum bestehenden, auf das Recht bezogenen Wertvorstellungen, Normen, Institutionen, Verfahrensregeln und Verhaltensweisen umschreiben. Recht ist also immer Teil einer Kultur; das gilt nicht nur für das positive Recht, sondern vor allem auch für die Prinzipien der Begründung und Legitimation von Normen und Verfahren. Als Teil einer Kultur steht das Recht notwendig in einer Wechselbeziehung mit anderen Teilgebieten dieser Kultur, etwa Moral, Politik oder Religion. Recht...